Antrag „Pestizidfreie Kommune” der Grünen Stadtratsfraktion

für die Sitzung des Gerolsteiner Stadtrates am 28.8.2019

Der Stadtrat beschließt


1. Ab dem Jahr 2020 werden auf allen kommunalen Flächen (Kulturland sowie Nichtkulturland) keine chemisch-synthetischen Pestizide (Pflanzenschutzmittel) eingesetzt.
2. Private Dienstleistungsunternehmen, die den Auftrag zur Pflege öffentlicher Flächen erhalten, werden ebenfalls ab dem Jahr 2020 zu einem Pestizidverzicht verpflichtet.
3. Bienen- und insektenfreundliche Blühflächen oder Projekte werden angelegt. Hierzu werden für die nächste Sitzung des Umweltausschusses konkrete Vorschläge seitens der Verwaltung vorgestellt.
4. Bei der Verpachtung kommunaler Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung wird ein Verbot des Einsatzes von Pestiziden in allen Pachtverträgen verankert. 
5. Ebenso wird in den Pachtverträgen für kommunale Flächen geregelt, dass auf diesen Flächen ausschließlich Gülle, die im Betrieb des Pächters anfällt, ausgebracht werden darf.
6. Darüber hinaus wird dem Umweltausschuss zu seiner nächsten Sitzung eine Liste aller kommunaler Flächen die im Einzugsgebiet von Trinkwasser oder Mineralwasserquellen liegen, zur Verfügung gestellt. Der Ausschuss wird auch über die Entwicklung des Nitratgehalts dieser Quellen in den letzten 10 Jahren informiert. Der Ausschuss entscheidet an Hand dieser Informationen dann über notwendige weitergehende Auflagen in den Pachtverträgen. Bis zu dieser Entscheidung werden ab sofort keine neuen Pachtverträge abgeschlossen bzw. verlängert.
7. Die Bürger*innen werden über die Bedeutung von Biodiversität in der Stadt informiert und gleichzeitig Möglichkeiten zum Schutz von Bestäubern wie Bienen und Wildbienen sowie giftfreie Maßnahmen beim Gärtnern aufzeigt.

Begründung
In Städten und Gemeinden werden Pestizide eingesetzt, um Wege in Parks, Sport- und Spielplätze, Grünanlagen oder Straßenränder frei von unerwünschten Kräutern und Gräsern zu halten oder um gegen ungeliebte Insekten vorzugehen. Viele der Mittel stehen im Verdacht, Krebs zu erregen, die Fortpflanzung zu schädigen oder eine hormonelle Wirkung zu haben. Auf öffentlichen Flächen wie beispielsweise Sport- und Spielplätzen können die Wirkstoffe in direkten Kontakt mit den Bürgerinnen kommen. Insbesondere für Kinder und Schwangere ist das eine Gefahr. Auch Haustiere wie Hunde und Katzen sind den Stoffen schutzlos ausgeliefert.

Für viele Tier- und Pflanzenarten im städtischen Raum sind Pestizide ein Verhängnis. Denn nicht nur die unerwünschten Wildkräuter und Insekten werden beseitigt, sondern auch Honigbienen, Wildbienen, Schmetterlinge und Fledermäuse. Entweder töten und schädigen Pestizide Insekten oder Wildkräuter direkt oder sie dezimieren ihren Lebensraum und ihre Nahrung. Von den fast 600 Wildbienen-Arten in Deutschland steht rund die Hälfte auf der Roten Liste. Dabei sind blütenbesuchende Insekten unentbehrlich für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen. Sie erhalten die Pflanzenvielfalt und sichern landwirtschaftliche Erträge und damit unsere Ernährung. Laut Welternährungsorganisation sind weltweit rund zwei Drittel unserer Nahrungspflanzen auf Bestäuber angewiesen. In Städten und Gemeinden sichern Honigbienen, Wildbienen und Schmetterlinge den Kleingärtnern eine gute Obsternte und den Stadt-Imkern reichlich Honig.

Weltweit und auch in Deutschland erleben wir einen zunehmenden Verlust der Artenvielfalt. Grund dafür ist vor allem die intensive Landwirtschaft. Dort dominieren meist Monokulturen, die intensiv mit Pestiziden gespritzt werden. Hecken oder Blühflächen, als Rückzugsgebiete und Nahrung für viele Insekten, Vögel und Säugetiere fehlen oft komplett. Über 40.000 Tonnen Pestizide belasten jährlich in Deutschland die Umwelt, Tendenz steigend. Das Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie, den Verlust von Arten zu stoppen, kann mit dem aktuellen Pestizideinsatz nicht erreicht werden.

Siedlungsgebiete sind oft letzte Rückzugsorte für bedrohte Arten, die in der Agrarlandschaft keinen Lebensraum mehr finden. Kommunen können hier Verantwortung und eine Vorreiterrolle für den Artenschutz übernehmen, indem sie bei der Flächenpflege keine Pestizide einsetzen. Auch für die menschliche Gesundheit, die Lebensqualität und den Tourismus ist der Pestizidverzicht ein Gewinn. Bundesweit über 50 Städte sind bereits ganz oder teilweise pestizidfrei, einige von ihnen sogar schon seit über 20 Jahren. Die möglichen Maßnahmen sind vielfältig. So werden Flächen mit mehrjährigen Stauden bepflanzt, die Insekten ein ganzjähriges Blütenangebot und damit Nahrung und Lebensraum schaffen. Frühzeitiges Reinigen von Verkehrsflächen und planerische Weitsicht bei der Bebauung sind wichtige Elemente, um einen zu starken Bewuchs zu verhindern. Alternativen zur Chemiekeule sind vielfältige mechanische und thermische Verfahren. Besonders wichtig ist dabei immer die Kommunikation mit den Bürgerinnen, um die notwendige Akzeptanz zu schaffen.